Mein Tag auf Hawaii – Ein Bericht von Angelika Halberstadt

Nach kurzem, aber tiefen Schlaf erwachte ich ohne Wecker und hatte genug Zeit mich in Ruhe auf den Tag mit Ankleiden, Frühstücken und letzen Grüßen per Handy nach Deutschland einzustellen. Im Dunklen hatte bereits eine „Volkswanderung“ Richtung Hauptschauplatz des heutigen Tages begonnen, als wir gegen 5 Uhr in einen der vielen Shuttlebusse einstiegen. Ich verabschiedete mich gegen 6 Uhr von meinen Begleitern, denn ab dem Punkt “ Bodymarking“ war jeder Teilnehmer auf sich selbst gestellt. Ich konnte den Livegesang der amerikanischen Nationalhymne und den Start der Profis akustisch gut miterleben, gesehen habe ich , obwohl mittlerweile Tageslicht Einzug genommen hatte, leider nicht viel.

Bald begann mein eigenes Rennen: Einschwimmen bis zur Startlinie, die deutlich gekennzeichnet war durch das permanente Hin-und Herpaddeln einiger „Surferboys“ auf ihren Boards. Punkt 7:20 Uhr kam das Zeichen für die geschätzt 400 Starterinnen DEN Tag ihres Sports zu beginnen. Die ersten 10 min kamen mir vor wie eine Ewigkeit, danach gleitete ich meditativ vor mich hin bis ich mich ab dem Wendepunkt von Gruppe zu Gruppe vorwärts hangelte und mit ca. zehn Frauen den Sand mit den Händen fühlen konnte und mich langsam aufrichtete, was meinem Rücken erstmal gar nicht gefiel.
Treppe hoch, duschen, … und ab aufs Rad!

Die ersten 14 Kilometer waren mit Zuschauern gesäumt, wo mich neben Anderen Delphine und Heike lautstark anfeuerten, bevor ich mit meiner Verzweiflung über unbekannte Schmerzen im Beckenbereich auf die einsame Strecke Richtung Hawi aus Kona herausfuhr. Die Schmerzen wurden schlimmer, das Fahrrad funktionierte irgendwie auch nicht perfekt und so kam schon früh am Tag der Gedanke an ein frühzeitiges Ende des Wettkampfes auf.
Ich verlangsamte mein Tempo, positionierte mich ständig anders auf dem Rad und war zum 1. mal an diesem Tag den Tränen nahe.

In meiner Erinnerung kann ich es nicht mehr nachvollziehen, wann oder wodurch meine Schmerzen weniger wurden, ich weiß nur noch , dass mich das Panorama der Radstrecke faszinierte und ich in einen gleichmäßigen Tritt gekommen war. Je weiter ich Richtung Hawi und die mäßigen Anstiege kam, desto mehr wunderte ich mich über die negative Einstellung, die mir vor dem Rennen von der Strecke suggeriert wurde. Ich konnte den herrlichen Ausblick auf den Mount Kohala genießen und überholte permanent andere Teilnehmer, denn ich hatte mittlerweile festgestellt, dass ich die kleinen Gänge lieber nicht benutze. Die Bedenken, das Fahrrad könne auf den 180 km schlapp machen kamen dadurch zwar wieder deutlich zum Vorschein, die immer wiederkehrenden technical support Autos beruhigten mich jedoch, gab es doch die Möglichkeit Hilfe zu bekommen, falls es ernsthaft nötig wurde.

Schon fuhr ich in den bunten Ort Hawi hinein, dessen Anblick ich von einem unserer Sightseeingfahrten mit dem Auto kannte und sah auch bald den Wendepunkt ! Kurz davor erwartete mich jedoch eine Riesenüberraschung : vom Straßenrand wurde mein Name gerufen und ich erkannte Freunde aus Deutschland, die ich eher im Bett zuhause als hier an der Strecke wähnte. Es war das zweite mal an diesem Tag, dass mir Tränen in die Augen stiegen und gab mir riesige Motivation für den langen Rückweg nach Kona.
Die nächsten Kilometer konnte ich mir über die Verrücktheit dieses Besuches jedoch kaum Gedanken machen, musste ich mich doch aufs Äußerste auf die seitlichen Winde konzentrieren, die mich in Angst und Schrecken versetzten mein Fahrrad und ich könnten unkontrolliert von der Fahrbahn abkommen, beinahe meine dritte Heulattacke. Also bremsen! Ich hielt den Lenker so fest umklammert wie bei einem der ersten Radtouren nach meiner Schlüsselbeinoperation. Langsam und sicher durchkommen wurde immer mehr zu meiner Devise des Tages.

Ab Ende der Abfahrt ging es wellig weiter und weiter , wieder durch die Lavafelder Richtung Airport of Kona. Ich schaltete so wenig wie möglich, denn die Geräusche wurden dabei immer beunruhigender. Ich litt unter der Hitze vor allem, weil meine Fußsohlen dadurch wie Feuer brannten, denn Kopf und Körper konnte ich immer wieder durch Wasserannahme an einem der sehr vielen und sehr gut organisierten Verpflegungsstellen kühlen. Um 14:30 Uhr , so hatte ich mir vorgenommen, wollte ich spätestens beim Flughafen Kona vorbeifahren. Die Kilometer dorthin füllte ich mit Gedanken an heimische Radrunden, um mir gut zuzureden, dass es doch “ nur noch“ einmal diese oder jene Strecke sei und von dort aus nur noch ein Katzensprung bis zum Wechsel. Ich gab mein Fahrrad in Helferhände, was mir in Frankfurt noch sehr schwer fiel, und bedankte mich beim Volunteer und in Gedanken bei meinem Rad, dass es mich trotz meiner mangelnden Fürsorge nicht im Stich gelassen hatte. Ein bisschen unrund lief ich strümpfig zum Wechselzelt, tauschte den Helm gegen ein Sonnenschild und zog die Laufschuhe an. Erneutes eincremen und ab auf die Strecke. Es ging locker los, ich bremste mich ein wenig ein, denn es lagen ja noch einige Kilometer vor mir.

Das erste Drittel der Strecke entlang des Aliidrive versprach Abwechslungsreichtum sowohl aufgrund der vielen Zuschauer als auch der Strecke an sich. Ab und zu ein Blick aufs Meer und ein kleines Lüftchen reichen in einer solchen Situation schon, um sich glücklich zu fühlen. Meine Beine allerdings verpassten mir schon jetzt die Quittung dafür, dass ich sie beim Radfahren durch niedrige Kadenzen zu sehr beansprucht hatte. Das Tempo reduzierte sich ab km 7-8 bereits auf 5:50 min pro km, noch machte ich mir deshalb aber keine Sorgen. Sobald ich jedoch auf die schier endlose gerade Strecke Richtung enrgylab kam, verließ mich die Motivation: Asphalt, Asphalt, Asphalt und viele Athleten, die bereits vom erwartet schlimmsten Teil der Strecke Richtung Ziel laufen „durften“. Ich trödelte so vor mich hin, längst bei einem Tempo von 7 min/ km angekommen und fühlte nichts von der Leichtigkeit des Marathons in Frankfurt.
Was erwartete mich im Enrgylab? Würde es noch heißer werden?

NEIN , dort gab es einen herrlichen Ausblick aufs Meer und ein angenehmes Lüftchen gratis dazu. Weil sich die Sonne bereits Richtung Meer senkte, war es hier erholsamer als auf dem breiten Highway, den ich allerdings im Dunkeln zurücklegen musste. Füße hochheben, nur nicht vor lauter Unkonzentriertheit stolpern, waren meine Gedanke auf dem endlos erscheinenden Rückweg. Ich zwang mich nicht zu gehen sondern zu laufen, auch wenn die restliche Motivation durch mich permanent überholende Frauen nochmals sank. „Ab hier geht es nur noch bergab“ hörte ich plötzlich einen Zuschauer allen vorbeikommenden Athleten zurufen. Bald schon wartete Delphine auf mich, übergab mir die vorbereite Flagge. Ich nahm sie an mich und genoss tatsächlich die letzten 2 km in vollen Zügen.

Sollten doch so viele weitere Mitstreiter schnelleren Schrittes ins Ziel eilen; ich ließ mich jetzt nicht mehr ablenken. Die letzte Kurve, der Zielkanal, der Teppich und der Zielbogen.
ICH HATTE ES GESCHAFFT! Schaut euch die Bilder an, dann wisst ihr,  ob ich geweint oder gelacht habe, oder vielleicht Beides!